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data-objectile / Problemorientierung anstatt Analogie.

Das data-objectile ist durch vielfältige Faktoren bestimmt. Seine physische Präsenz steht nicht für ´stabile Substanz´, sondern für eine unstabile Menge von Interaktionen, die unter dem Aspekt einer Mehrebenenkonzeption (Varela 1990; Dupuy/Varela 1991) durch Selbstbeschreibungen, -beobachtungen und -amplifikationen prozessiert werden. Und wie jede Kunstartikulation ist es eine Beobachter-Anordnung, in der im konkreten Fall Menschen mit Menschen, Maschinen mit Maschinen und Menschen mit Maschinen interagieren. Unter einem bestimmten Abstraktionsgrad lässt sich auch sagen: triviale und nicht-triviale Maschinen stehen in Interaktion miteinander. Verallgemeinerungen tendieren aber bekanntlich dazu, der Banalität zu verfallen. Um dem vorzubeugen, muss sich die gewählte Methode auf der allgemeinsten Ebene nicht an Merkmale bspw. an Unterschiede von Gattungen oder Ähnlichkeiten orientieren, sondern an Probleme.

Hervorzuheben ist zuerst einmal, dass das data-objectile aus den anfallenden Daten beim nybble-engineering hervorgeht. Etwas konkreter: Es wird durch ein Datenextrakt formiert und via 3D-Printer gesintert (SLS-Verfahren, Selective Laser Sintering). Es ist ein 3-dimensionaler „freeze frame" einer Echtzeitumgebung. Das data-objectile ist demnach ohne jedweder Referenz auf ein Objekt im Real-Life. Wie schon davor durch den Hinweis auf die Problemorientierung hervorgehoben, wurde das data-objectile nicht auf dem Weg der Analogie entwickelt. Vielmehr gründet es sich auf Überlegungen, die in Abkehr von der klassischen Subjekt-Objekt-Epistemologie ein weit komplexeres Objektverständnis verhandeln wollen. Damit eröffnet sich die Option eines funktionalen Äquivalents, das in der Bezugnahme auf Software-Objekte und ihre Implikationen in einem dynamisch-komplexen Zusammenhang generiert wird. Das erfordert allerdings die Termini Spezifikation, Generalisierung und Respezifikation.

Wie jeder soziale Zusammenhang bildet auch die Kunst konventionalisierte Erwartungen, Ordnungen und entsprechende Normen aus. Mit einer Problemorientierung können wir die Norm durch Spezifikation des Bezugsproblems als ein sinnimmanentes Generalisierungsrisiko präzisieren. Die Verlagerung des Normbegriffs in den Begriff der Generalisierung rückt das data-objectile in ein komplexeres Objektverständnis. Das erfolgt schon durch seinen Status, eine Artikulation in einem Kommunikationszusammenhang zu sein, wo Erwartungen immer einen gewichtigen Faktor ausmachen. Erwartungen also, die von Normen geleitet werden und in einer gewissen Unabhängigkeit vom faktischen Ereignis Geltung haben, sprich ´generalisierte Erwartungen´ sind, die inhaltlich mehr oder weniger unbestimmt lassen, was genau erwartet wird.

Die Generalisierung steht zwar für Unbestimmtheit, nicht aber für Unbekanntes, denn sie fordert - und das macht ihre Funktionalität aus - Respezifikationen an, um Anhaltspunkte zu erlangen. Damit kann ein Steigerungsinteresse evoziert werden, das auf kognitive Erwartung abstellt und somit die Generalisierung zur Lernbedingung macht. Selbstverständlich gilt auch in diesem Fall, dass man Wissen muss, um Wissen aneignen zu können. Denn nur in einer offenen Kombination von konstant gehaltenen Wissensinhalten und der Bereitschaft, Wissen zu modifizieren und zu ändern, werden generalisierte kognitive Erwartungen als Wissen behandelt.

Mit der Definition, die Kunst als einen interdisziplinären Zusammenschluss unter spezifischen systemimmanenten Logiken zu verstehen, zielt das data-objectile auf die Dimension kognitiver Erwartungen im Zusammenhang von Spezifikation, Generalisierung und Respezifikation. Und wie in der Wissenschaft auch, wird der Anteil der Unbestimmtheit durch Anforderungen an Theorie und Methode produktiv gemacht und damit auf Strukturen verwiesen, die nur für ein eigens dafür ausdifferenziertes Funktionssystem in der Gesellschaft gelten: in diesem Falle ist es das Kunstsystem.

Das Relationieren von Problemen stellt in der gewählten Methode keinen Selbstzweck dar, sondern dient als Leitorientierung zur Suche nach Möglichkeiten, konkreter: nach funktionalen Äquivalenten. Dieser Ansatz wird schlüssig, wenn wir den historischen Kunstzusammenhang als Relation bzw. als Relationieren von Systemproblemen definieren. Die so benannte Antinomie der (modernen) Kunst ist dafür nur ein beredtes Beispiel. Tatsächlich aber stellt jeder Paradigmenwechsel lediglich die Etablierung einer anderen (´neuen´) Funktionseinrichtung im Kunstsystem dar. Systemtheoretisch gesprochen, fällt das unter Ausdifferenzierung von Funktionseinrichtungen. Im Kunstdiskurs steht das ´neue Paradigma´ für Problemkonstruktion, an die weitere Konstruktionen dieser Art, sprich: funktionale Äquivalente, anschließen. Funktionsorientierung tendiert angemessen komplex zu hoher Problemspezifikation. Das gilt hier sowohl für das Kunstsystem insgesamt, mit all seinen Subsystemen, die sich durch Orientierung an Funktionen strukturieren, als auch auf der Ebene der Kunstpraxis, die diese System/Umwelt-Differenzen artikuliert/thematisiert/reflektiert/problematisiert.

Die verwendete Methode stellt einen Sonderhorizont der Lebenswelt für spezifische Intentionen dar, der das, was bei jeder Informationsverarbeitung ohnehin geschieht - nämlich das Abtasten von Differenzen - unter bestimmte Bedingungen setzt und damit in eine bestimmte Form bringt. Unter diesem Aspekt ist das data-objectile ein funktionales Äquivalent. Sein funktional äquivalentes Verhältnis bezieht sich aber nicht lediglich auf den Quellentext (das nybble-engineering-Datenextrakt), der ihm seine physische Form gibt. Vielmehr steht das data-objectile zirkulär in einem funktional äquivalenten Verhältnis zu einem Cluster von Kunstdiskurstypen und wechselseitigen System/Umweltbeziehungen, die sich im Laufe des historischen Kunstzusammenhangs im Kunstsystem ausdifferenziert haben. Diese Darstellung beruht auf einer Prämisse der allgemeinen Systemtheorie, nämlich, dass jeder soziale Kontakt als System zu verstehen ist. Wesentlich an der funktionalen Methode ist ihre Orientierung am Problem der Komplexität und keinesfalls am Problem der Erhaltung von Beständen. Das ist zugleich ihr Anspruch auf Komplexitätsbewährung. Indem sich die funktionale Methode in ihrem basalen Bezugsproblem selbstreferentiell begründet, weist sie ihre semantischen Formen als Wirklichkeitskonstruktionen aus, die einzig der eigenen Systemlogik folgen, damit also nicht Konstruktionen anderer Realitäten spiegeln, sondern als Ordnungsform im Verhältnis zu einer geordneten sozialen Realität, diese zu greifen versuchen.

Das data-objectile stützt sich nicht auf ein L´art pour L´art-Prinzip. Denn es sind wesentlich soziotechnische Ensembles von Menschen und Maschinen, die aktuelle Wirklichkeiten formieren. Biogene Programme, die im Konstitutions-Zusammenhang von Person, Rolle und Erwartung gleichsam den Handlungsbetrieb regeln, verbinden sich mit Programmen technischer Art. Überleben heißt zugleich Komplexitätsbewährung in einer kybernetisch-medialen Welt.

 

 

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künstlerische selbtspositionierung

data-objectiles 2000/01/02

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